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REDE-Aufnahmesituationen

Das Sprachverhalten der REDE-Informanten wurde in fünf unterschiedlichen Aufnahmesituationen beobachtet. Diese wurden so ausgewählt, dass möglichst aus dem gesamten variativen Spektrum eines Sprechers Ausschnitte erfasst wurden. Neben dem Sprachgebrauch (Performanz) wurde auch die Kompetenz der Sprecher erhoben.

Die REDE-Aufnahmesituationen sind:

  • Vorlesesprache mit der Fabel „Nordwind und Sonne“ (NoSo)
  • Übertragung der 40 Wenkersätze in die intendierte Standardsprache (WS ISS)
  • Übertragung der 40 Wenkersätze in den intendierten Ortsdialekt (WS IOD)
  • leitfadengesteuertes Interview mit einer Exploratorin bzw. einem Explorator (I)
  • freies Gespräch bzw. Freundesgespräch mit einem vertrauten Gesprächspartner oder einer vertrauten Gesprächspartnerin in Abwesenheit der Exploratorin oder des Explorators (FG)
  • Notruf: Aufzeichnung von Notrufannahmen in Polizeitdienststellen

Die Kompetenzerhebungen: Vorlesesprache, intendierte Standardsprache und intendierter Ortsdialekt

Mit den Kompetenzerhebungen wurden das Sprachverhalten der REDE-Informanten bei besonderer Konzentration auf die Sprache abgefragt. Dies betraf die Zielvarietäten Dialekt und Standardsprache sowie die Vorlesesprache.

Vorlesesprache

Zur Erhebung der Vorlesesprache wurden den Informanten der Text der Fabel „Nordwind und Sonne“ vorgelegt. Der Text hat 111 Wörter und konnte zum besseren Textverständnis vorab kurz durchgelesen werden.

Intendierte Standardsprache

Zur Erhebung der intendierten Standardsprache wurden die von Georg Wenker formulierten 40 Sätze verwendet. Die Sätze bilden auch die Grundlage für den Sprachatlas des Deutschen Reichs (Wenker 2013/2014, online verfügbar über das REDE SprachGIS). Für das REDE-Projekt wurden den Informanten Satz für Satz eine aktuelle Aufnahme dieser 40 Sätze im jeweiligen Ortsdialekt des Sprechers vorgespielt, die im Anschluss in die intendierte Standardsprache übersetzt werden sollte.

Bei Verständnisschwierigkeiten der Aufnahme im Ortsdialekt wurde der entsprechende Ausschnitt erneut abgespielt. Wenn die Verständnisschwierigkeiten andauerten, wurde eine leichter verständliche Aufnahme aus Dresden abgespielt, die von allen Informanten verstanden wurde. Ein Ausschnitt dieser Aufnahme ist hier nachzuhören:

Die vollständige Sprachaufnahme aus Dresden ist über das REDE SprachGIS und über den REDE Audio-Katalog verfügbar (Name der Sprachaufnahme: DD_ALT_WS_Dialekt).

Intendierter Ortsdialekt

Zur Erhebung des intendierten Ortsdialekts wurden die von Georg Wenker formulierten 40 Sätze verwendet. Mit dem Rückgriff auf die 40 Sätze, die zugleich die Grundlage für den Sprachatlas des Deutschen Reichs bilden (Wenker 2013/2014, online verfügbar über das REDE SprachGIS) und den Sprachstand zwischen 1876–1887 belegen, wird eine diachrone Auswertung der REDE-Daten ermöglicht. Für die Übersetzung der 40 Sätze in den intendierten Ortsdialekt wurden den Informanten die Sätze einzeln, laut und möglichst standardnah von dem Explorator bzw. der Exploratorin vorgelesen. Die vorgelesenen Sätze sollten anschließend in den jeweiligen Ortsdialekt übersetzt werden.

Die Performanzerhebungen: Interview, freies Gespräch und Notrufe

Die Performanzerhebungen dienten dazu, den Sprachgebrauch der Informanten in alltäglichen oder alltagsnahen Situationen zu erheben und zu untersuchen. Hierzu gehören das leitfadengesteuerte Interview, das von der Exploratorin bzw. dem Explorator geführt wird sowie das freie Gespräch (FG), mit einem vertrauten Gesprächspartner oder einer vertrauten Gesprächspartnerin in Abwesenheit der Exploratorin bzw. des Explorators.

Interview

Das Interview fand in einem formell intendierten Rahmen statt, in dem der Explorator bzw. die Exploratorin formell gekleidet waren und als Vertreter/Vertreterin eines Forschungsprojekts einer universitären Einrichtung vorstellig wurden. Das Interview wurde nach einem Leitfaden geführt und
dauerte durchschnittlich ca. 40 Minuten, vereinzelt berichteten die Gewährsperson überaus detailliert, sodass das Interview bis zu 2 Stunden dauerte.

Der Leitfaden umfasst insgesamt 8 Seiten und setzt sich aus unterschiedlichen Themenblöcke zusammen:

  1. Themenblock: (Sprach-)Biographische Vergangenheit
  2. Themenblock: Sprachverwendung / kommunikatives Netzwerk
  3. Themenblock: Einstellungen
  4. Themenblock: Selbsteinschätzungen der Kompetenzen

In der Regel an die Aufnahmesituation „Interview“ anschließend wurden die REDE-Gewährspersonen gebeten, einen kurzen „Fragebogen zur sprachlichen Prägung“ auszufüllen. Der Fragebogen fragt unter anderem nach Herkunftsort und längeren Aufenthalten der REDE-Gewährspersonen und erfasst auch, aus welchen Orten Eltern, Großeltern und Lebenspartner/in des REDE-Informanten stammen. Zudem wurden die REDE-Gewährspersonen gebeten, sie sich mithilfe von drei Antwortskalen selbst einzuschätzen.

Freies Gespräch

Das freie Gespräch oder auch Freundesgespräch (FG) wurde in Abwesenheit der Exploratorin bzw. des Explorators aufgezeichnet. Die Gespräche wurden mit einer der Gewährsperson vertrauten Person geführt und dauerten mindestens 30 Minuten. Um den Einstieg ins Gespräch zu erleichtern, konnten mögliche Gesprächsthemen wie aktuelle Nachrichten, geplante Ereignisse, einen Urlaub, ein Fotoalbum o. Ä. vorgeschlagen werden.

Notruf

Für einen Großteil der Sprecher aus der mittleren Generation liegen zusätzlich entgegengenommene Notrufe vor. Hierbei handelt es sich um Notrufannahmegespräche, die von als Polizeibeamten tätigen Informanten im gewohnten Arbeitskontext aufgezeichnet wurden. Die Notrufannahmen sind im Rahmen des Projekts Sammlung, Aufbereitung und Bereitstellung von Daten für die Dialektdatenbank gefärbter Standardsprache (DIGS) in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt zwischen 2005 und 2007 in einer Dialektdatenbank zusammengeführt worden. Die Erstellung der Datenbank dient dem Bundeskriminalamt zur Herkunftsbestimmung von Sprechern (vgl. DIGS Abschlussbericht 2007). Notrufgespräche haben den Vorteil, dass sie stets aufgezeichnet werden, sodass die Polizeibeamten an die Aufnahmesituation gewöhnt sind. Für die Datendank wurden von jedem Sprecher Notrufgespräche von mindestens 60 Sekunden aufbereitet.


Literatur
DIGS Abschlussbericht = Schmidt, Jürgen Erich/Kehrein, Roland (2007): BKA-Projekt: Sammlung, Aufbereitung und Bereitstellung von Daten für die Dialektdatenbank gefärbter Standardsprache (DIGS). Abschlussbericht.

Wenker, Georg (2013/2014). Schriften zum „Sprachatlas des Deutschen Reichs“. Gesamtausgabe. Herausgegeben von Alfred Lameli. Unter Mitarbeit von Johanna Heil und Constanze Wellendorf. 3 Bände. Olms (Deutsche Dialektgeographie 111.1-3), Hildesheim, u. a.